"Ich bin nicht besonders musikalisch", gab Mats zu.
"Keine Blockflötenkonzerte zur Familienweihnacht?" Toni grinste. "Da hast du aber echt Glück gehabt. Bei uns musste jeder ein Instrument lernen, ich hab es mit der Geige noch gut getroffen. Albert, mein jüngster Bruder, musste jeden Tag Akkordeon üben. Der Arme, wir haben uns immer über ihn lustig gemacht." Tonis Lächeln erstarb plötzlich und ein Schatten huschte über sein jungenhaftes Gesicht.
"An Weihnachten waren wir immer alle zusammen. Haben Musik gemacht, gegessen und gelacht. Weißt du, ich komme aus einer kleinen Großfamilie. Drei Brüder und eine Schwester. Da musste meine Mutter natürlich ein strenges Regiment führen, damit alles lief. Aber sie hat uns die richtigen Werte vermittelt. Trotzdem hab ich es gehasst, wenn sie jede ihrer Erziehungsmaßnahmen mit Gott oder Jesus rechtfertigte." Er seufzte... "Ich muss ja nicht jeden Sonntag in die Kirche rennen, um Gott nahe zu sein."
Toni setzte sich ans Klavier, starrte auf das Notenblatt und murmelte: ,,Wer hätte gedacht, dass ihre Musik-Erziehung mir vielleicht mal das Leben retten würde? Siehst du die Notiz oben auf dem Blatt? Das sind alles Worte aus dem Lied 'Stille Nacht'. 'Alles' kommt auf die Note D, 'nur' auf das A und 'Knabe' steht unter den Noten C und H. Wenn man die Noten hintereinander liest, entsteht 'DACH'!"
„Das gibt's ja nicht!", staunte Mats und schlussfolgerte sofort. "Damit muss das Dach der Krippe gemeint sein!" Er ging zum Tannenbaum, nahm das Holzdach mit dem aufgeklebten Stroh von der Krippe und entdeckte, dass auf der Unterseite eine dünne Holzschicht angebracht worden war. Vorsichtig löste er diese Platte.
Es fiel ihm seltsam schwer, seine Finger zu koordinieren. Das Gift breitete sich immer weiter aus. Schließlich schaffte er es, einen Hohlraum freizulegen, in dem ein weiterer kleiner Brief klebte. Das Papier war gelblich und die Worte darauf schienen mit einem Füllfederhalter geschrieben worden zu sein.
"Na lies schon vor!", drängte Toni.
Mats faltete den Zettel auseinander, doch die Buchstaben darauf verschwammen vor seinen Augen. Er spürte, wie er taumelte, und musste sich stark darauf konzentrieren, nicht einfach zur Seite umzukippen.
Er kniff benommen die Augen zusammen und las mit belegter Stimme vor: "Alles schläft, einsam wacht. Nur die traute, hoch heilige Nacht." "Schon wieder dieses Lied...", murmelte Toni. "Sollen wir jetzt etwa singen?"
"Das glaube ich kaum..." In Mats' Kopf formte sich eine Ahnung, eine Idee, die er aber noch nicht wirklich greifen konnte.
Stattdessen fragte er Toni: "Warum hast du vorhin eigentlich so aggressiv reagiert, als Hannes dich beschuldigt hat? Bis dahin hast du für mich eher wie ein ziemlich netter Typ gewirkt, Kinderkrebsstation und so ..."
Ich bin eigentlich auch ein ziemlich netter Typ, aber wenn es jemand nicht ehrlich meint, ziehe ich meine Konsequenzen. Anstand und Hilfsbereitschaft sind ein Grundprinzip der Walders. Wenn jemand nicht danach handelt, hat er auch keinen Respekt von meiner Seite verdient. Und ehrlich war dieser Typ zu uns auf keinen Fall, das hast du doch auch gemerkt."
Toni hatte recht. Auch Mats konnte Hannes nicht mehr vertrauen. Aber Toni vertraute er auch nicht. Er nickte knapp und nahm dann die Schatulle in die Hand.
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