10. Dezember

"Gift in Plätzchen. Nach zehn Stunden Tod." Toni las noch mal den Satz rückwärts vor und sein Gesicht schien innerhalb dieser zwei Sekunden an Farbe zu verlieren. Hannes legte instinktiv schützend eine Hand auf seinen Bauch.

Auch Mats schluckte schwer. Bisher war das Ganze zwar nervig gewesen, doch jetzt wurde aus dem seltsamen Spiel eine tödliche Bedrohung. Aus einem unbekannten Spinner ein psychopathischer Killer. Seltsam, wie sich in wenigen Sekunden alles ändern kann, dachte Mats und musste sich unwillkürlich an den Moment erinnern, der sein Leben für immer verändert hatte.

Es war an Heiligabend gewesen, Mats war gerade acht Jahre alt. Seinen Vater hatte er den ganzen Tag noch nicht zu Gesicht bekommen. Der hatte früh am Morgen die Wohnung verlassen, und als er am Nachmittag nach Hause kam, hatte er sich in das Schlafzimmer eingeschlossen. Das war für Mats nichts Neues. Sein Vater zog sich bereits seit einigen Monaten immer mehr zurück, aber seit er nicht mehr zur Arbeit ging, war es noch schlimmer geworden. Manchmal hörte Mats ihn hinter der verschlossenen Tür vor sich hin reden, doch der Junge konnte sich keinen Reim aus den Worten machen. Er schien mit jemandem zu sprechen, doch Mats hatte niemand sonst in das Zimmer gehen sehen. Wenn sein Vater dann irgendwann wieder herauskam, schaute er seinen Sohn oft misstrauisch aus hohlen Augen an. Mats fragte sich dann meist, ob der Mann ahnte, dass er an der Tür gelauscht hatte, und bekam ein schlechtes Gewissen.

An diesem Weihnachtsabend hatte seine Mutter eine leckere Ente im Ofen zubereitet und Kartoffelklöße dazu gemacht, weil Mats die so liebte. Sein Vater hatte sich wortlos an den Tisch gesetzt und mit dem Messer die Entenbrust auf seinem Teller seziert. Neben ihnen strahlte bereits der Weihnachtsbaum mit den roten Kugeln im Licht der echten Christbaumkerzen.

,,Ihr denkt wohl, ich merke das nicht?", hatte der Vater leise drohend gefragt und dabei weiter auf das Fleisch gestarrt.,,Aber bevor ichever Gift fresse, verhungere ich lieber!" Seine Stimme war plötzlich lau und aggressiv geworden. Mats' Mutter nahm schnell ihren Sohn an den Schultern und schob ihn mit dem Teller in der Hand in die Küche. "Geh bitte schon mal rüber, Schatz", hatte sie gesagt und die Küchentür hinter ihm zugezogen.

Mats hatte auf das rot-weiß karierte Wachstuch des Küchentischs geschaut. Seine Knödel lagen wie traurige Felsen in einem Meer aus Soße und wurden kalt. Mats hörte, wie seine Eltern sich stritten. Es wurde immer lauter, und als Mats es nicht mehr aushielt, nahm er sich seine Jacke und verließ die Wohnung. Er lief die knarzenden Holztreppen herunter zu dem verlassenen Innenhof des Mehrfamilienhauses.

Dort begann er verbissen, die dünne Eisschicht auf dem Boden mit der Schneeschaufel abzukratzen, bis seine Hände taub von der Kälte waren und er die Schaufel nicht mehr richtig greifen konnte. Da roch er einen vertrauten Geruch, jemand musste irgendwo ein Feuer entfacht haben. Der Duft erinnerte ihn an die gemütlichen Grillabende im Sommer. Doch als er nach oben blickte, entdeckte er den wahren Ursprung des Rauchgeruchs.

Was danach geschehen war, hatte ihm ein freundlicher Arzt im Krankenhaus in der späteren Nacht erklärt. Er selbst konnte sich kaum erinnern. Offensichtlich hatte sein Vater einen paranoiden Schub gehabt, der in einen Wutanfall gemündet war. Bei den folgenden Handgreiflichkeiten war der Weihnachtsbaum umgestürzt und hatte sofort den Polyester-Pullover seines Vaters und den halben Esstisch in Brand gesetzt. Innerhalb weniger Minuten hatte die ganze Wohnung in Flammen gestanden. Mats war nach oben gerannt und hatte seine Mutter im verrauchten und brennenden Wohnungsflur gefunden. Er hatte sie nach draußen gebracht und sich dabei nicht mal verletzt, von einer kleinen Brandverletzung auf der Handoberfläche mal abgesehen. Seine Mutter hatte schlimme Verbrennungen und eine schwere Rauchvergiftung erlitten, für seinen Vater war jede Hilfe zu spät gekommen.

,,Kommt schon, oder wollt ihr hier unten sterben?", rief Toni drängend und holte Mats damit aus seinen düsteren Gedanken.

"Ich habe hier unter dem alten Teppich eine Falltür gefunden, aber sie ist mit einem Zahlenschloss abgesperrt! Wir müssen den Code dazu knacken!"

Welche Zahl müssen sie auf dem Zahlenschloss einstellen?

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.